Costantino Ciervo
Kataloge ]Biographie ][ Werke][Nicht realisierte Projekte/Kunst-am-Bau]Arbeiten auf Papier ]Bibliographie ]Werkliste Videos  ][ Kontakt ][ Interviews ]Impressum ] ][Home]

Der Wettbewerb:

Open Call: Offener Wettbewerb für KünstlerInnen
Temporäre Fassadengestaltung des Jenaer Stadtspeichers
Im Rahmen des Ausstellungsprojekts
BrandSchutz//Mentalitäten der Intoleranz

Projektskizze

Costantino Ciervo
FREE ALL (· · · - - - · · ·), 2013
Temporäre computergesteuerte Lichtinstallation als Fassadengestaltung des Jenaer
Stadtspeichers im Rahmen der Ausschreibung „Brandschutz//Mentalitäten der Intoleranz“

Unter dem Titel BrandSchutz entwickelt der Lehrstuhl für Kunstge-schichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena in Kooperation mit dem Jenaer Kunstverein e.V. eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst, die sich mit Mentalitäten der Intoleranz innerhalb der Gesellschaft auseinandersetzt. Vor dem Hintergrund der Mordanschlage auf MigrantInnen durch die rechtsextreme Terrorzelle NSU und ihrer Verbindung zur Stadt Jena möchten die InitiatorInnen Stellung beziehen und das Potential künstlerischer Strategien im Umgang mit rechtsextremen Orientierungen ausloten. Wie aktuelle Forschungsergebnisse belegen, sind Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus, sexuelle Diskriminierung, Hass gegenuber sozial Schwächeren und autoritäres Denken keineswegs soziale Randerscheinungen. Vielmehr finden sich die Ursachen für das Erstarken rechtsextremer Tendenzen in der Mitte der Gesellschaft.
An diesem Punkt setzt das Ausstellungsprojekt BrandSchutz an. Ziel des Projektes ist es, mit den vielfältigen Möglichkeiten der Kunst eine ungewohnte Perspektive auf das Thema Rechtsextremismus und neue Angebote zur Auseinandersetzung mit dem Problem zu eröffnen. Dreh- und Angelpunkt ist die gleichnamige Ausstellung BrandSchutz//Mentalitäten der Intoleranz, die ab Mai 2013 an unterschiedlichen Ausstellungsorten in Jena zu sehen ist. Sie wird gerahmt von einer öffentlichen Vor-tragsreihe, einer Filmreihe sowie einem wissenschaftlichen Symposium an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und durch eine intensive museumsädagogische Begleitung unterstützt.

Material/Technik: 7 rote Neonbuchstaben als Versalien (schlichte Schrifttype wie Arial), Gerüst, Computersteuerung, Dimmer
Buchstabenhöhe: ca. je 1,17 m, Breite insgesamt: ca. 4,16 m

Auf der oberen Giebelkante der Glasfassade des Jenaer Stadtspeichers prangt in roter Neonschrift der englische Slogan „FREE ALL“. Ab und zu beginnt die Leuchtschrift im Rhythmus drei Mal kurz, drei Mal lang und drei Mal kurz zu blinken und signalisiert das internationale Notsignal SOS.
Die Lichtinstallation interagiert mit der spektakulären Glasfassade von Ruairi O’Brien, die ebenfalls mit dem Thema Licht arbeitet. Die Rasterstruktur der Glasfassade wird in der formalen Strenge und klaren Lineatur der schnörkellosen Schrift aufgegriffen.
Die Lichtinszenierung bespielt die Glasfassade, indem sie einen optischen Akzent hinzufügt.
Auf den ersten Blick erscheinen die roten Neonlettern wie eine herkömmliche kommerzielle Leuchtreklame mit Aufforderungscharakter. Sie erinnern z. B. an knappe aber bestimmte Statements einer weltweit bekannten amerikanischen Limonadenmarke wie etwa: „Drink….“ oder „Make it real“.
FREE ALL. Befreit sie alle. Oder: Alle sind frei. Das Recht auf Freiheit für alle Menschen basiert auf Gleichheit und Toleranz. Gerade durch die Mehrdeutigkeit der beiden leicht verständlichen englischen Begriffe werden Betrachter zunächst irritiert und dadurch zum Nachdenken angeregt.
Die Ästhetik von Leuchtreklame im öffentlichen Raum steht bewusst im Widerspruch zur Aussage des Textes. Das Kernthema „Mentalitäten der Intoleranz“ wird in der Lichtinstallation somit im Kontext des grundlegenden Freiheitsbegriffes und der Ethik thematisiert.
„Flucht ist kein Verbrechen“ heißt eine Kampagne von Pro Asyl, die aufmerksam machen möchte auf einen der Hauptbeweggründe für Migration.
Flüchtlingsorganisationen sind also auch bestrebt, Mentalitäten der Intoleranz durch Aufklärung und Information aufzubrechen. Die „gefühlte Bedrohung“ durch Flüchtlinge und Immigranten ist bekanntlich eine unrealistische und wird zumeist durch irrationale Ängste geschürt. Zum Beispiel leben in Berlin zurzeit 5000 Flüchtlinge, die Stadt hat 3,5 Millionen Einwohner, was bedeutet, dass nicht einmal 1,5 Promille davon Flüchtlinge sind.
Auch die Außenpolitik der „Festung Europa“ ist verantwortlich für Missstände der Asylpolitik und Verletzungen der Menschenrechte von Flüchtlingen. Die sog. Dublin-II-Verordnung hat zum Beispiel genau das produziert, was sie ihrem ursprünglichen Zweck nach hätte vermeiden sollen: Flüchtlinge, die durch Europa irren und nirgends Schutz finden.

Die Verwendung des SOS-Signals in der Lichtinstallation unterstreicht die Dringlichkeit des Handlungsbedarfs gegen Mentalitäten der Intoleranz im Großen sowie im Kleinen: sowohl auf persönlicher als auch auf gesellschaftspolitischer Ebene.