Costantino Ciervo
Kataloge ]Biographie ][ Werke][Nicht realisierte Projekte/Kunst-am-Bau]Arbeiten auf Papier ]Bibliographie ]Werkliste Videos  ][ Kontakt ][ Interviews ]Impressum ] ][Home]


“Here and Now“ - 2017
Technik: synchronisierte 3-Kanal-VideoskulpturComputergesteuert, 3 Raspberry Pi Vers. 2 Typ 512 MB, 3 Display 7 Zoll mit Controller, Aludibondspiegel, Porzellanei, aktiv PC Stereolautsprecher, Scheibenwischermotor, Holz, Metall, Elektronik
Maße: 63 x 81 x 21 cm


In dem Video sieht man einen Adler synchron über drei nebeneinander montierte Monitore über verschiedene Metropolen, die scheinbar nahtlos ineinander übergehen, hinweggleiten. Bei den Städten handelt es sich um Alexandria, Barcelona, Frankfurt, Hongkong, Istanbul, Kairo, Kapstadt, New York, Moskau, München, Neapel, Panama, Paris, Peking, Prag, Rio de Janeiro, Rom, San Paulo, Seoul, Shanghai, Sydney und Tokio. Während der Vogel begleitet von Windgeräuschen über die Weltstädte hinweg fliegt, bewegt sich unter ihm langsam und mechanisch angetrieben ein weißes Ei aus Keramik auf einer Schiene immer hin und her.


Die Aussage ist eine Darstellung der Verkürzung von Zeit und Raum durch die Technik versus der Rhythmus des Metabolismus der Natur.
Adler sind weltweit in den unterschiedlichsten Regionen Europas, Nordamerikas, Afrikas und Asiens beheimatet und symbolisieren wie kaum ein anderes Tier die Globalität in ihrer urprünglichen Bedeutung. Der Adler spielt zudem in verschiedenen Mythen und Religionen eine wichtige metaphorische Rolle und ist eines von den am längsten auf der Erde lebenden Tieren. Als mächtigstes Tier der Lüfte hat der Adler schon immer die Blicke der Menschen gen Himmel gezogen. Der Greifvogel versinnbildlicht vor allem Klarheit, Freiheit und Wagemut. In luftigen Höhen kreisend, erkennt er von weit oben selbst kleinste Details – der Adler wird so zum Symbol dafür, bestimmte Strukturen genauer unter die Lupe zu nehmen.
Der Flug des Adlers veranschaulicht ferner sinnbildlich den Wunsch des Menschen, frei zu sein wie ein Vogel. Ein Adler kann rasant und aus großer Höhe auf seine Beute herabstürzen – hierin kommt symbolisch das Vorgehen zum Ausdruck, neue Dinge gezielt anzugehen und auch etwas zu wagen. In der Heraldik ist der Adler neben dem Löwen das häufigste Wappentier und symbolisiert als König der Lüfte etwa Unsterblichkeit, Mut, Weitblick und Kraft, gilt aber auch als Bote der Götter.


In dem Video symbolisiert der Adler die Sphäre der ursprünglichen, reinen Natur im Gegensatz zu einer vom Menschen geformten und geprägten Umwelt, wie sie in sich in den Weltstädten manifestiert, über die der Vogel hinwegfliegt. Der Titel greift daher die Debatte um das von einigen Wissenschaftlern proklamierte „Anthropozän“ auf. Die Erdgeschichte überspannt einen nur schwer vorstellbaren, exorbitanten Zeitraum, der von Geologen (genauer gesagt der Internationalen Kommission für Stratigraphie) in hierarchisch strukturierte Zeitintervalle unterteilt wird.
Erdzeitgeschichtlich gesehen befinden wir uns in der Erdneuzeit, präziser im Känozoikum, dem Zeitalter der Säugetiere, das bereits vor 65 Millionen Jahren begann und bis heute dauert. Auf der geologischen Zeitskala sind wir (noch) im Holozän, das vor über 11.000 Jahren nach der letzten Eiszeit anfing. Nur Geologen entscheiden also über die Einführung von Erdzeitaltern anhand weltweit nachweisbarer spezifischer Signaturen, die sich in die Gesteinsschichten der Erde eingeschrieben haben. Im Jahr 2000 hat nun der Atmosphärenchemiker und Nobelpreisträger Paul Crutzen auf einem Wissenschaftskongress erstmals den Begriff „Anthropozän“ verwendet, um einen auch aus geologischer Sicht epochalen Umbruch in der Natur zu bezeichnen: Der Mensch als wichtigster Einflussfaktor auf die biologische, geologische und atmosphärische Prozesse auf der Erde. Crutzen regte dadurch eine Debatte zur Einführung einer neuen Epoche an, des „Menschenzeitalters“ oder griechisch „Anthropozän“.