Costantino Ciervo
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2001 - Projekt "1 Minute und 13 Sekunden" - Museum Industriekultur OsnabrÜck - Schachthalle des Haseschachtgebäudes - Gläserner Fahrstuhl und 30 Meter tiefer Schacht Schacht des Bergwerkes.

Das Projekt wurde auf Einladung des Technischen Museums Piesburg konzipiert. Die Realisierung wurde verweigert, weil sie als nicht geeignet für das Thema der Ausstellung über Licht und Technik angesehen wurde. Obwohl seitens des Museums herzlich gebeten wurde, ein anderes Projekt vorzuschlagen, akzeptiert der Künstler keinen Kompromiss und zieht seine Teilnahme zurück.

Beschreibung des Projektes "1 Minute und 13 Sekunden" für den Haseschacht Osnabrück, 2001

Die Video- und Klanginstallation "1 Minute und 13 Sekunden" ist für den Haseschacht gedacht. Der Schacht ist 30 Meter tief und zugänglich durch einen gläsernen Fahrstuhl. Auf dem Dach des Fahrstuhls wird ein Videobeamer mit entsprechendem Videoplayer montiert. Im Inneren der Fahrstuhlkabine ist ein Monitor mit einem zweiten Videoplayer untergebracht. An den Wänden der Fahrstuhlkabine sind Lautsprecher angebracht, die Originaltöne des startenden Space Shuttles und Stimmen aus dem Kontrollraum übertragen. Wenn das Publikum den Fahrstuhl benutzt, um von unten aus den begehbaren Stollen nach oben in das Museum zu gelangen, passiert folgendes:
Sobald der Knopf gedrückt wird, um den Fahrstuhl nach oben zu bewegen, wird automatisch der Start und der kurze Flug der am 28. Januar 1986 verunglückten Raumfähre "Challenger" an die Wand des Fahrstuhlschachtes projiziert. Gleichzeitig werden im Inneren des Fahrstuhls auf dem Monitor die Gesichter von Ronald Reagan (damaliger US-Präsident) und den Angehörigen der Besatzungsmitglieder gezeigt, die das Unglück unmittelbar sahen.
Das Publikum bewegt sich mittels des Fahrstuhls ebenfalls nach oben und kann so die Aufnahme direkt mitverfolgen. Sobald der Fahrstuhl oben ankommt, schaltet sich die Projektion automatisch - sofort nach der Explosion der "Challenger" - aus. Die "Challenger"-Katastrophe ist keine Tragödie der Technik gewesen, sondern Folge des unethischen Vorgehens einer profitorientierten Wirtschaft. Außerdem erinnert die Tragödie an die biblische Geschichte vom Turmbau zu Babel. In der Parabel wird festgestellt, daß die Menschen zwar die technischen Fertigkeiten haben, um ein Bauwerk bis zum Himmel zu erstellen. Doch wenn der Mensch zu machtgierig wird und sich in seiner Arroganz und seinem Hochmut über Gott (und die Natur) stellt, dann nützt ihm sein Können nichts, es schadet sogar.

Der Haseschacht und der gläserne Fahrstuhl mit der Wendeltreppe (Fluchtweg) sind räumlich sehr geeignet für das Projekt, denn der Schacht erinnert an eine Startrampe und weckt Assoziationen zu unterirdischen Raketenstützpunkten.
Ehemals wurde hier untertage hochwertige Kohle gefördert und Wasser abgepumpt, also Energie gewonnen für den technologischen Fortschritt. Außerdem gründete der Flugpionier Ernst Friedemeyer, "der erste Osnabrücker, der wirklich flog", in der Netter Heide 1911 die "Flugzeug Baugesellschaft Osnabrück mbH" und errichtete eine Flugzeughalle auf dem Gelände. Somit treffen an diesem Ort der menschliche Expansionsdrang ins Innere der Erde und auch in den Himmel (und später in das Weltall) zusammen.
Rolf Spiker schreibt in einer Broschüre des Museum Industriekultur Osnabrück: "Es gibt im regionalen Bereich wohl kaum einen Raum, in dem der "landschaftsbildende" Eingriff des Menschen derart massive und vielgestaltige Folgen hinterlassen hat, in dem die komplexen Zusammenhänge des Beziehungsgeflechtes "Mensch, Natur, Technik" auf diese Weise anschaulich und "erfahrbar" gemacht werden können." Ich denke, daß meine Arbeit "1 Minute und 13 Sekunden" genau darauf eingeht. Der gescheiterte Flug zu den Sternen wird als bewußte Irritation eingesetzt, um den Zuschauer zum Nachdenken anzuregen.